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Die Frage nach einer gerechten, möglichst von allen Mitgliedern eines Gemeinwesens als legitim erachteten, Verteilung verfügbarer Ressourcen stellt sich unweigerlich in jedem kollektiv finanzierten Gesundheitssystem. Sie ist nicht beschränkt auf monetäre oder materielle Ressourcen, sondern betrifft zum Beispiel auch die Arbeitszeit von Fachkräften oder die Allokation von Spenderorganen. In Deutschland wurden solche Verteilungsfragen in der medizinischen Versorgung bisher erstens häufig einzelfallbezogen und ohne eine vorhergehende systematische Klärung der gesellschaftlichen Prioritäten behandelt; zweitens wurden sie vorwiegend von Leistungserbringern und Experten innerhalb von Fachöffentlichkeiten thematisiert. Eine in einigen inner- und außereuropäischen Ländern bereits erprobte Möglichkeit zur Vorbereitung der konsistenten Klärung von Verteilungsfragen in der Gesundheitsversorgung ist die systematische Priorisierung auf Basis einer gesellschaftlich geklärten Axiologie und Methodik. Die gestiegene Patienten- und Bürgerorientierung in der Gesundheitspolitik legt es nahe, Bürger auch in den regelmäßig umstrittenen Fragen nach den Werten, Kriterien und Verfahrensregeln für die Klärung von Priorisierungsfragen frühzeitig in die politische Meinungs- und Willensbildung mit einzubeziehen. Als besonders vielversprechend für die partizipative Bearbeitung komplexer Probleme gelten deliberative Formate, die im Anschluss an die sog. ´Konsensuskonferenzen´ in der Medizin entwickelt wurden. Allerdings ist die Frage, ob und in welcher Weise sich solche deliberativen Beteiligungsformate tatsächlich zur Anregung und Förderung von Prozessen der Meinungs- und Willensbildung zu normativ anspruchsvollen und zukunftsorientierten Problemen eignen, immer noch umstritten. Die vorliegende Arbeit bearbeitet diese politisch-praktisch motivierte Frage im Rahmen einer in der Theorie der deliberativen Demokratie fundierten Mixed-Methods Analyse eines deliberativen Modellprojekts – der ´Lübecker Bürgerkonferenz zur Priorisierung in der medizinischen Versorgung´. Im Rahmen dieses Verfahrens sind im Frühsommer 2010 in Lübeck 20 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger an insgesamt vier Wochenenden zusammengekommen. Sie haben sich intensiv in die Frage nach Werten, Kriterien und Verfahrensregeln für die Priorisierung in der medizinischen Versorgung eingearbeitet, Experten hierzu befragt und zum Abschluss die Ergebnisse ihrer Diskussionen in einem gemeinsamen Bürgervotum festgehalten und der Öffentlichkeit übergeben. Die Bearbeitung der oben genannten Fragestellung erfolgt in drei Analyseschritten: Im Rahmen einer Potenzialanalyse wird zuerst untersucht, ob und in welchem Maß sich die Potenziale, die in der einschlägigen Literatur solchen Bürgerbeteiligungsverfahren zugeschrieben werden, im vorliegenden Fall der Lübecker Bürgerkonferenz tatsächlich entfaltet haben. In einem zweiten Schritt wird im Sinne einer Evaluation untersucht, ob die Anforderungen an die Qualität deliberativer Bürgerbeteiligungsverfahren, die in der einschlägigen Literatur formuliert werden, im und vom Lübecker Projekt erfüllt worden sind. Im dritten Schritt geht es im Sinne einer Kontextanalyse um die Frage, wie sich die spezifischen Bedingungen, die mit dem Thema, dem Design und den Verfahrensentscheidungen gesetzt wurden, auf den Verlauf der Bürgerkonferenz und ihre Ergebnisse sowie auf ihre Bedeutung für die öffentliche und politische Meinungs- und Willensbildung außerhalb der Bürgerkonferenz ausgewirkt haben Auf Grundlage der Analyse der Lübecker Bürgerkonferenz zeigen sich verschiedene in der Literatur bereits beschriebene Wirkungen deliberativer Verfahren auf die verfahrensinterne und öffentliche Meinungs- und Willensbildung. Aus der Analyse von Qualität und Kontexteffekten des Verfahrens werden hinderliche und förderliche Faktoren für die Entfaltung dieser Wirkungen identifiziert worden. Hieraus können 1.) einige Schlussfolgerungen für das analysierte Modellprojekt selbst gezogen, 2.) Empfehlungen für zukünftige ähnliche Beteiligungsverfahren zu zukunftsorientierten, komplexen Fragestellungen abgeleitet und 3.) einige Perspektiven für die Partizipations- und Deliberationsforschung entwickelt werden. So wird die Bürgerkonferenz explizit als Teil eines sie umgebenden deliberativen Systems verstanden. Diese Perspektive hat sich in verschiedener Hinsicht als vorteilhaft für die Analyse eines einzelnen deliberativen Beteiligungsprojekts erwiesen. Die Tauglichkeit dieses Ansatzes ist im Rahmen zukünftiger empirischer Studien zu überprüfen. Die in der vorliegenden Arbeit präsentierten detaillierten Ergebnisse zur Lübecker Bürgerkonferenz können hierfür als Vergleichsmaterialien dienen.
Does grass-roots civic engagement improve the quality of public services in countries in which formal oversight institutions are weak? It is obvious that formal oversight institutions are weak in developing countries, which causes low-quality public services. This weakness is particularly critical in the health sector - a service domain of crucial relevance for development. This observation has led practitioners to believe that the direct engagement of the beneficiaries of public services is a means to compensate the weakness of oversight institutions and to improve the quality of these services. Given that beneficiaries have incentives to demand good quality services, it is indeed logical to assume that their participation in the monitoring of public services helps to improve the quality of these very services. This positive view of grass-roots civic engagement resonates with the idea that an active civil society helps a political system to build up and sustain a high institutional performance In the eyes of the donors of development aid, this idea nurtures the expectation that strengthening civic engagement contributes to increased aid effectiveness. Accordingly, donor countries have increased their efforts to strengthen beneficiary participation since the 1990s, which moved the concepts of voice and accountability center-stage in the international development discourse. However, whether citizens' capacity to exercise pressure on service providers and public officials really improves the effectiveness of development aid remains an unresolved question. Building upon recent experimental and comparative case study evidence, the thesis examines the role of citizens' engagement in the effectiveness of development interventions. The focus is on such interventions in the health sector because population health is particularly critical for prosperity and development, and ultimately for democratization. The key question addressed is if and under what conditions ordinary people's engagement in collective action and their inclination to raise their voice improves the effectiveness of development assistance for health (DAH). I analyze this question from an interactionist viewpoint, unraveling the complex interplay of civic engagement and health aid with three key institutional variables: (i) state capacity, (ii) liberal democracy and (iii) decentralized government. Drawing upon social capital theory, principal-agent theory, and selectorate theory, I provide compelling evidence that health aid effectiveness depends on (a) bottom-up processes of demand from service users as well as (b) formal processes of top-down monitoring and horizontal oversight arrangements. In other words, the very interaction of behavioral and institutional factors drives the accountability in public service provision and thus the effectiveness of development assistance for health in recipient countries.