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Die negativen Auswirkungen des modernen Konsumverhaltens sind heute weithin bekannt. Dennoch ist insbesondere die Modebranche weiterhin durch sehr niedrige Preise, kurze Produktlebensdauer und Massenkonsum gekennzeichnet. Eine Veränderung des Konsumverhaltens in der breiten Bevölkerung hin zu einer Reduktion von Neukäufen, einer langen Nutzungsdauer der vorhandenen Kleidung und zum Kauf ökologisch und sozial verträglich hergestellter Produkte ist aber dringend notwendig. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die effektive Ansprache der Konsumierenden ist die Berücksichtigung handlungsrelevanter Persönlichkeitsmerkmale auf Seiten der Zielgruppe. Die wissenschaftliche Literatur zu Prädikatoren nachhaltiger Verhaltensweisen weist darauf hin, dass persönliche Werte eine wichtige Rolle für dessen Umsetzung spielen. Gleichzeitig wirkt sich insbesondere im Kleidungskonsum auch das Geschlecht bzw. Gender der Konsumierenden auf das Verhalten aus. Ausgehend von dieser Datenlage werden in dieser Arbeit drei Themen mit Relevanz für die Nachhaltigkeitsforschung - persönliche Werte, Geschlecht/Gender und nachhaltiger Kleidungskonsum - zusammengeführt und auf ihre komplexe Wirkungsbeziehung hin untersucht. Auf Grundlage von Fokusgruppeninterviews wird erforscht, welche individuellen Wertorientierungen sich in welcher Weise und welcher Konstellation positiv auf ein nachhaltiges Kleidungskonsumverhalten auswirken und welche geschlechterspezifischen Unterschiede hierbei erkennbar werden. Durch die Berücksichtigung persönlicher konsumrelevanter Motivatoren und deren individueller Ausprägung werden Potenziale für eine zielgerichtete Verstärkung nachhaltigen Konsumverhaltens in der breiten Bevölkerung aufgedeckt. Dazu werden (1) vier Wertorientierungen mit Einfluss auf nachhaltigen Kleidungskonsum identifiziert, (2) ihre kausale Beziehung zu nachhaltigem Kleidungkonsum analysiert, (3) die geschlechtlichen Unterschiede berücksichtigt und (4) mit Gender ein Ansatzpunkt für die Erklärung der gefundenen Unterschiede angeführt. Zur Aufarbeitung der Daten wird die fsQCA zur Untersuchung des Themas nachhaltiger Kleidungskonsum angewandt. Die Natur dieser Auswertungsmethode, welche statt kausaler unidirektionaler Zusammenhänge zwischen zwei Variablen Schnittmengen zwischen zwei oder mehr Phänomenen untersucht, trägt zu einer neuen Perspektive auf die Beziehung zwischen Werten und nachhaltigem Kleidungskonsum bei. Eine Forschungsleistung dieser Arbeit besteht darin, gerade das Zusammenspiel der verschiedenen Werte zu betrachten und damit ein tieferes Verständnis von wichtigen Einflussfaktoren für nachhaltigen Kleidungskonsum zu ermöglichen - ein Ansatz, der über die bisher existierenden Forschungserkenntnisse hinausgeht. Aus den gewonnenen Resultaten werden Handlungsempfehlungen für die Kommunikation von NGOs und Unternehmen mit nachhaltiger Ausrichtung abgeleitet, wie eine zielgerichtete Ansprache zur Intensitätssteigerung dieser bereits vorhandenen Bedingungen gestaltet werden kann.
Können die kulturellen Praktiken und wertschöpfenden Handlungen innerhalb von Musikkulturen mit dem Begriff der Produktivität erfasst werden? Dieser Frage geht diese Dissertation am Beispiel der Technokultur nach. Sie zeigt auf, wie Menschen in solchen Vergemeinschaftungsformen für sich und andere Werte schaffen. In Abgrenzung zu wirtschaftswissenschaftlichen Formulierungen wird hier von Werte-Schöpfung gesprochen. Zugrundeliegend ist ein kulturwissenschaftliches Verständnis von Produktivität, welches den Fokus auf unterschiedliche Arten der Produktion und Werte-Schöpfung legt. Es wurden Akteure, ihr Handeln und ihre musikalischen, kulturellen, sozialen, sinnstiftenden sowie ökonomischen Produktionen innerhalb der Technokultur auf unterschiedlichen Ebenen analysiert. Dies umfasst Produzierende und Partizipierende, Gemeinschaften, Szenen, Städte, Festivals und Ökonomie. Das methodische Vorgehen basiert auf (Szene-)Ethnographie als Verfahren der Datengenerierung, was Interviews mit Experten (DJs, Produzenten, Labelmacher, Angestellte von Musikwirtschaftsbetrieben, Veranstalter) und Partizipierenden sowie teilnehmende Beobachtungen (Clubs, Festivals, Berlin, Köln, Lärz und Ruhrgebiet) umfasst. Zusätzlich wurden Technotracks musikhermeneutisch analysiert, um die Vielfalt der Affordanzen an Technomusik aufzuzeigen. Zur Datenauswertung wurde auf das Grounded Theory-Verfahren der Situationsanalyse (Clarke 2012) zurückgegriffen. Leitend für die Analyse sind die Konzepte der "Sonic Bodies" und des "Soundings" von Julian Henriques (2011), des Musickings (Small 1998) sowie der Begriff des "Sonischen". Im Zentrum der Arbeit steht das Handeln von Menschen mit Klang und Musik in musikalischen Soziokulturen und der wechselseitige Einfluss mit der umgebenden Stadt und Gesellschaft. Die Dissertation zeigt auf, wie die Sonic Bodies der Technokultur persönliche, soziale, kulturelle und ökonomische Werte für sich schöpfen, auf dieser Grundlage ihr Handeln austarieren und sich mit anderen Produzierenden und Partizipierenden zu temporären oder beständigen Werte-Schöpfungsnetzwerken zusammenschließen. Die Möglichkeiten der Werte-Schöpfung sind durch mehrere Konfigurationen gerahmt. Darunter fallen sozialstrukturelle, subjektive und subkulturelle bzw. kulturindustrielle Faktoren, die das Handeln und die Werte-Schöpfung der Sonic Bodies prägen. Diese umfassen u. a. Faktoren sozialer Ungleichheit, individuelle Faktoren und Faktoren, die der Feldstruktur der Technokultur entspringen.
In seinem ersten Kinofilm "Abschied von gestern" erzählt Alexander Kluge 1966 den Fall "Anita G.". Ausgehend von diesem Film stellt sich die Frage nach den Rechtsverhältnissen in Kluges Geschichten: vom Sachverhalt zum Fall, vom Gesetz zur Erzählung, von der Ermittlung, die dem Urteil schließlich widersteht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die universitäre "Vorgeschichte" des Autors und Filmemachers. Mit dem Jura-Studium in Marburg und Frankfurt schreibt sich Kluge 1950 in die universitären Abläufe ein, denen er als Referendar institutionell folgt: im Amtsgericht Wiesbaden und im Oberlandesgericht Frankfurt, in der Jugendstrafanstalt, im Landgericht und der Kammer für Handelssachen. An diesen Stationen begegnet er Vorfällen und Prozessen, die seinen filmischen und literarischen Arbeiten voran gehen. Denn Kluges Figuren stehen vor dem Gesetz und folgen eher einer Poetik des Falls als seiner Auflösung.
Diese Arbeit untersucht, wie die massenhafte Verbreitung von Web Videos das Verhältnis von audiovisueller Zeugenschaft und medialem Ereignis beeinflusst: Wie lässt sich das Zusammenspiel von Medien, sozialer Dynamik und Ereignissen beschreiben? Was wird wann unter welchen (medialen) Bedingungen wie zum Ereignis? Wer hat die Deutungshoheit über dieses Ereignis und wie erlangt man sie? Gibt es privilegierte Formen der Zeugenschaft? Und unter welchen Umständen haben diese Zeugnisse politische Relevanz? Keine dieser Fragen ist neu und dennoch stellen sie sich in digitalen Kulturen mit neuer Dringlichkeit und Bedeutung. Denn durch die Proliferation medialer Produktions- und Rezeptionspraktiken sowie die Medialisierung der Distribution multiplizieren Social Media-Plattformen ästhetische, narrative und institutionelle Kontextualisierungsprozesse von Ereignissen. Dies vergrößert mediale Partizipationsmöglichkeiten, geht aber zugleich einher mit Glaubwürdigkeits- respektive Geltungsverlusten herrschender sozialer Akteure und medialer Formen. Die daraus resultierenden medialen wie sozialen Repräsentationskrisen destabilisieren das Feld medialer Zeugenschaft. Sie bilden aber zugleich auch einen Resonanzboden für "Kritische Medienereignisse". Unter diesem Titel entwirft die Arbeit ein Konzept sozio-medialer Ereignisse, das weder Medien und Ereignis gegeneinander ausspielt noch das Ereignis zum massenmedialen Genre degradiert. Stattdessen erfasst der Begriff soziale und medienästhetische Dynamiken in einem gleichberechtigten Zusammenspiel. Dahinter steht die durch den Vergleich von Rainer Leschkes Theorie medialer Formen mit Pierre Bourdieus Praxistheorie gestützte Annahme, dass mediale und soziale Formen mehr miteinander gemeinsam haben, als es unversöhnliche Gegenüberstellungen von medialem und sozialem Apriori vermuten lassen. [Im Sinne einer medienmorphologisch geschulten Bourdieu-Lektüre kann dann von kritischen Medienereignissen die Rede sein, wenn ähnlich gelagerte Krisen in sozialen Kräfte- und medialen Formenfeldern zeitgleich eskalieren - wie es gegenwärtig im doppelten Glaubwürdigkeitsverlust politischer Repräsentanten (Akteuren) und medialer Repräsentationen (Formen) zu beobachten ist. Es handelt sich hierbei nicht deshalb um Medienereignisse, weil sie durch Medien repräsentiert werden, sondern vielmehr deshalb, weil sie der öffentlich sichtbare Ausdruck medialer Umbrüche sind, in denen soziale und mediale Felddynamiken synchronisiert werden und die Neuaufteilung des Sinnlichen mit der des Sozialen zusammenfällt. In diesem Zusammenhang spielen Web Videos deswegen eine privilegierte Rolle, weil sie als audiovisuelle und kommunikative Prothesen sowohl den Handlungsspielraum von Augenzeugen erweitern als auch das Publikum auf eine neue Art und Weise adressieren und einbinden. Man ist nicht länger nur distanzierte Beobachter einer Live-Berichterstattung, sondern wirkt aktiv mit am Geschehen und dessen Beglaubigung. Diese neuen, partizipativen Formen der Zeugenschaft erschöpfen sich somit nicht in einer dokumentarischen Funktion, sondern fordern immer auch zur Teilnahme am jeweiligen Ereignis auf. Sie zeichnen sich dabei durch eine radikal subjektive Ästhetik der Authentizität aus, die weniger auf Objektivität als auf affektive Mobilisierung abzielt. Web Videos verändern auf diese Weise das etablierte Kräfte- und Vertrauensverhältnis im soziomedialen Feld der Zeugenschaft in epistemologischer, ethischer und politischer Hinsicht, weil sie dieses Feld für (neue) Formen und Akteure öffnen, die mehr oder weniger bewusst die hegemoniale Position massenmedialer Institutionen und Formen in Frage stellen. Diese Erschütterungen der sozio-ästhetischen Ordnung im Feld der Zeugenschaft offenbaren einen grundsätzlich politischen Gehalt von Web Videos, der immer dann explizit hervortritt, wenn Web Videos Widerspruch und Protest gegen die herrschenden Verhältnisse artikulieren. In kritischen Medienereignissen wie der (gescheiterten) Grünen Revolution in Iran wird daher das politische Potential von Web Videos aktualisiert und situativ beschreibbar. Web Videos machen ihre Betrachter somit in einem doppelten Sinn zu Zeugen: Erstens dokumentieren sie ein Geschehen und geben somit der Synchronisation feldspezifischer Krisen des Sozialen und Medialen eine anschauliche mediale Form. Zweitens fungieren sie als Formen des symbolischen Austauschs, die an der Umwertung des symbolischen Kapitals in medialen und sozialen Feldern entscheidend mitwirken. Weil sie somit zugleich Ausdruck wie Katalysatoren dieser Legitimitätsverluste sind, fungieren sie gegenwärtig als ebenso umstrittene wie privilegierte Zeugnisse kritischer Medienereignisse.
Die gleichberechtigte Teilhabe geflüchteter Familien an frühpädagogischen Angeboten ist erklärtes integrationspolitisches Ziel. Es gibt Hinweise darauf, dass diese besonderen Herausforderungen unterliegt und dass freiwillig Engagierte dabei häufig involviert sind. Dabei ist wenig über die Dynamiken bekannt, wie freiwillig Engagierte geflüchtete Familien im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung begleiten, insbesondere aus Perspektive von geflüchteten Eltern und ihren Begleitern. Vor diesem Hintergrund hat die vorliegende kumulative Dissertation das Ziel, durch die sinnverstehende Herausarbeitung von Deutungen der Begleiter und geflüchteten Eltern zu einem besseren Verständnis der durch freiwilliges Engagement begleiteten Teilhabe geflüchteter Familien an frühpädagogischen Angeboten beizutragen. Die Dissertation begreift freiwillig Engagierte als "Koproduzenten" von integrationspolitischen Zielen. Auf Grundlage von 34 Interviews mit Engagierten, Koordinatoren und geflüchteten Eltern, welche in neun Kommunen in Niedersachsen geführt wurden, wurden in drei Artikeln die folgenden Schwerpunkte bearbeitet: Deutungen der Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren durch die Begleitern durch Anbindung an das Konzept Koproduktion (Artikel 1), Deutungen von Problemen und Lösungen durch die Begleitern anknüpfend an die Konzepte Vulnerabilität und Agency (Artikel 2) sowie Deutungen der Eltern als Zielgruppe, mit Blick auf deren Aufbau von Vertrauen gegenüber frühpädagogischen Angeboten (Artikel 3). Die Dissertation leistet dadurch einen wissenschaftlichen Beitrag zu Dynamiken der Umsetzung von Policies, wenn zivilgesellschaftliches Engagement dabei eine zentrale Funktion einnimmt, sowie zur Umsetzung integrationspolitischer Ziele im konkreten Bereich der Nutzung frühpädagogischer Angebote durch geflüchtete Familien. Es zeigt sich, dass freiwillig Engagierte zwar staatliche Akteuren ergänzen und damit maßgeblich zur Umsetzung integrationspolitischer Ziele beitragen. Gleichzeitig deutet dies aber auf strukturelle Hürden hin und wirft die Frage auf, inwieweit das freiwillige Engagement hier die Verantwortung für staatliche Aufgaben übernimmt. Dabei treten in der Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren häufig Konflikte auf, welche auf divergierende Deutungen des Begriffs "Integration" und eine fehlende Ausdefinition konkreter sich aus den integrationspolitischen Zielen ableitender Bedarfe beruhen.