301 Soziologie, Anthropologie
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Die vorliegende Dissertationsschrift, die in den interdisziplinären, genderorientierten Nachhaltigkeitswissenschaften verortetet ist, analysiert die Konstruktion schützenswerter ‚Natur/en‘ in Gebieten ‚neuer Wildnis‘ aus Perspektiven der Sozialen Ökologie sowie der Geschlechterforschung. Das zentrale Erkenntnisinteresse zielt auf den Umgang mit und die Zuschreibungen auf Neobiota in Gebieten ‚neuer Wildnis‘. Ziel ist es, herauszuarbeiten, wie in der Konstruktion ‚fremder Natur/en‘ in ‚neuer Wildnis‘ gesellschaftliche Natur- und Geschlechterverhältnisse wechselseitig miteinander verwoben sind und inwiefern in dieser Vermittlung dichotome und hierarchisierende Trennungen wirksam werden. Die empirische Basis der Untersuchung bilden zwei Literaturreviews sowie eine qualitative Interviewstudie zu Naturverständnissen in zwei Untersuchungsgebieten ‚neuer Wildnis‘. Dabei werden Neobiota als Ausdruck gesellschaftlicher Naturverhältnisse analysiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass Neobiota in ‚neuer Wildnis‘ einerseits als Bestandteil dynamischer Naturentwicklung und schützenswerter Prozesse akzeptiert und nicht (mehr) aufgrund ihrer ‚Fremdheit‘ abgewertet werden. ‚Neue Wildnisse‘ können mithin als sozial-ökologische Vermittlungsräume gelesen werden, in denen sich die Konstruktion des Schützenswerten verschiebt und hierarchisierende Trennungen abgebaut werden. Andererseits werden Neobiota in Gebieten ‚neuer Wildnis‘ oftmals aufgrund ihrer ‚Ungezähmtheit‘ und Unkontrollierbarkeit von Eingriffen und Pflegemaßnahmen zur (Wieder-)Aneignung von Kontrolle über ‚fremde Natur/en‘. Die potentielle Beherrschbarkeit von ‚Natur‘ bleibt mithin auch in Gebieten ‚neuer Wildnis‘ grundlegende Voraussetzung für ihre Schutzwürdigkeit. Damit festigen sich in den Zuschreibungen auf Neobiota hierarchisierende Trennungen und reproduzieren die Konstruktion von ‚Natur‘ und ‚Weiblichkeit‘ als sich gegenseitig stabilisierendes Unterordnungsverhältnis.
Die vorliegende Arbeit schließt folgende Forschungslücken sozial-ökologischer, genderorientierter Nachhaltigkeitsforschung: erstens wird die empirische Forschung zu Neobiota durch die Untersuchung ihrer Wahrnehmung und Bewertung in Gebieten ‚neuer Wildnis‘ ergänzt. Zweitens wird die sozial-ökologische Forschung zu Neobiota um geschlechtertheoretische, insbesondere (re)produktionstheoretische Perspektiven erweitert. Drittens wird die Forschung zu Rechtsextremismus und ‚Geschlecht‘ um einen kritischen Blick auf die (Re)Politisierung von Natur/en‘ ergänzt, indem anhand der Abwertung ‚fremder Natur/en‘ Analogien und Anknüpfungspunkte zu extrem rechten und anti-feministischen Argumentationen herausgearbeitet werden.