Refine
Pestizide werden als Pflanzenschutzmittel im landwirtschaftlichen Bereich und als Biozi-de z. B. in der Industrie, in Haushalten und Kommunen eingesetzt. Bereits auf den behandel-ten Flächen (z. B. auf Äckern oder Hausfassaden) und in den angrenzenden Gewässern kön-nen Pestizide Abbauprozessen durch u. a. Photolyse unterliegen. Diese Prozesse führen zur Entstehung von Transformationsprodukten (TP), deren Berücksichtigung bei der Umweltrisi-kobewertung für ein umfassendes Risikomanagement von großer Bedeutung ist. Doch gibt es über die in der Umwelt vorkommenden Transformationsprozesse und die dabei entstehenden TP immer noch Wissenslücken. Darüber hinaus sind die Eintragswege von TP, vor allem von Biozid-TP, in die angrenzenden Gewässer zum Teil unbekannt. Da eine Vielzahl von TP mit unterschiedlich starken ökotoxikologischen Effekten bewertet werden muss, besteht ein gro-ßer Bedarf an schnellen und umfassenden Methoden, um die stetig wachsende Anzahl an Chemikalien auf dem Markt erfassen zu können. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher, das Verhalten und den Verbleib ausgewählter Pestizid-TP in der aquatischen Umwelt zu ana-lysieren. Zu diesem Zweck wurden unterschiedliche Phototransformationsprozesse von Pesti-ziden sowie der Eintrag aus Fassaden über Regenwasserversickerungsanlagen (RVA) in an-grenzenden Gewässern der Stadt Freiburg untersucht. Schlussendlich erfolgte die Identifizie-rung der ökotoxikologischen Eigenschaften von 45 Pestizid-TP in einem mehrstufigen Ansatz durch die Kombination experimenteller und computerbasierter Methoden. Inwiefern unterschiedliche Phototransformationsprozesse zu unterschiedlichen TP führen, wurde im ersten Teil der Arbeit durch einen Vergleich der Entstehung von TP durch direkte und indirekte Photolyse der Substanzen Penconazol, Terbutryn und Mecoprop untersucht. Weiterhin wurde der Abbau durch die Bestrahlung mit unterschiedlichen Xenonlampen unter-sucht. Die Ergebnisse zeigen, dass unterschiedliche Phototransformationsprozesse zu unter-schiedlichen TP führen können. So entstanden durch indirekte Photolyse von Mecoprop un-terschiedliche TP im Vergleich zu den TP, die durch direkte Photolyse gebildet wurden. Wo-hingegen kein Unterschied der Entstehung der TP von Penconazol und Terbutryn festgestellt wurde. Der Vergleich von drei verschiedenen Xenonlampen zur Simulation von Photolyse im Labormaßstab zeigte, dass eine genaue Spezifizierung der Lampen hinsichtlich des emittierten Spektralbereich sowie der absoluten Photonenflussdichte notwendig ist. Auf diese Weise können künftig Fehler bezüglich der Geschwindigkeit des direkten Abbaus insbesondere von schwach absorbierenden Pestiziden vermieden werden. Im zweiten Teil der Arbeit wurde der Eintrag von Bioziden, die in Fassadenanstrichen An-wendung finden, und deren TP über Regenwasserversickerungsanlagen in das Grundwasser untersucht. Dabei wurden qualitative und quantitative Target-Screening-Methoden zum Nachweis und zur Quantifizierung bekannter und unbekannter TP der Biozide Diuron, Ter-butryn und Octhilinon (OIT) in der aquatischen Umwelt mittels Flüssigkeitschromatographie mit gekoppeltem Massenspektrometer (LC-MS) kombiniert. Die Untersuchung zeigt, dass der gewählte methodische Ansatz einen wichtigen Beitrag zur Identifikation von Eintragspfaden in Gewässer leisten kann. Auf diese Weise wurden erstmalig dezentrale Versickerungssyste-me als Eintragspfad für biozide Wirkstoffe und insbesondere deren TP ins Grundwasser iden-tifiziert. Weiterhin wurden Fassaden als Quelle von Biozid-TP durch die Ausgangssubstanz Diuron und des TP-219 anhand eines Beregnungsexperiments einer 14-jährigen Hausfassade festgestellt..
Die ökotoxikologischen Eigenschaften von 45 Pestizid-TP wurden im dritten Teil dieser Ar-beit in einem mehrstufigen Ansatz untersucht. Dafür erfolgten auf der ersten Stufe eine Lite-raturauswertung und die Anwendung computerbasierter Methoden, um die bakterielle Ökoto-xizität und Genotoxizität zu ermitteln. Im Fall von toxischen Hinweisen wurden photolytische Mischungen durch Photolyse der Ausgangssubstanzen hergestellt. Diese wurden auf der zwei-ten Stufe in einem Leuchtbakterientest hinsichtlich der akuten und chronischen Ökotoxizität und der Wachstumshemmung untersucht. Die Genotoxizität wurde in einem Umu-Test ermit-telt. Bestätigten sich die positiven Befunde, erfolgten auf der dritten Stufe Einzeluntersuchun-gen der TP durch die zuvor genannten Tests. Die Ergebnisse legen nahe, dass mit Hilfe des mehrstufigen Verfahrens eine schnelle und umfassende Ersteinschätzung der Ökotoxizität von Pestizid-TP erfolgen kann. Dabei bietet vor allem die Kombination von computerbasierten Methoden und experimentellen Tests die Möglichkeit einer Vielzahl von Substanzen gerecht zu werden und auch schwer synthetisierbare und analysierbare Substanzen einzubeziehen. So konnten mit Hilfe des Ansatzes 96 % der TP bewertet werden.
Insgesamt zeigte sich, dass die Berücksichtigung von TP im Rahmen von Gewässerüberwa-chung und Risikobewertung eine genauere Abschätzung der Risiken durch Schadstoffe er-möglicht. Die in dieser Dissertation entwickelte Vorgehensweise, bei der TP zunächst im La-bor erzeugt und bewertet und anschließend in aquatischen Systemen gezielt analysiert wer-den, kann einen wichtigen Beitrag zur Regulatorik des Einsatzes und der Zulassung von Pes-tiziden leisten. Die Arbeit liefert wichtige Erkenntnisse und Methodenvorschläge um, im Sin-ne der Ziele einer nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen, einer Verschmutzung der Gewässer in qualitativer und quantitativer Hinsicht vorzubeugen.