Refine
„Bücher auf die Bühne!“ lautet der Slogan einer Werbeanzeige des Thalia Theaters Hamburg und trifft einen aktuellen Trend im deutschsprachigen Theater auf den Punkt: Es werden immer mehr Romane auf die Bühne gebracht. In der vom Deutschen Bühnenverein jährlich herausge-gebenen Werkstatistik ist dies ersichtlich. In der Spielzeit 1990/91 gab es kaum Romandrama-tisierungen im Erwachsenentheater zu sehen, in der Saison 2008/09 waren es schon drei unter den fünfzehn eistgespielten Stücken im Schauspiel. 2015/16 schaffte es schließlich eine solche Dramatisierung auf Platz 1 der am häufigsten gespielten und inszenierten Werke. Aus der gerade erschienenen Werkstatistik der Spielzeit 2017/18 geht hervor, dass fast ein Drittel aller Produktionen im Schauspiel Bearbeitungen waren. Es gibt zudem Theater, die sich der Inszenierung von Romanen verschrieben haben, wie beispielsweise das Altonaer Theater in Hamburg. Eine Betrachtung der Produktionen, die sich in der laufenden Spielzeit 2019/20 im Repertoire des Thalia Theaters Hamburg befinden, bestätigt die Tendenzen: Von den 67 Insze-nierungen basieren 25 auf Romanen, das sind immerhin 37 %. Dazu kommen weitere Bearbeitungen anderer nicht genuin dramatischer Werke. Dem daraus ersichtlichen wachsenden Interesse der Theaterpraxis steht jedoch eine herbe Kritik in Feuilletons von großen und kleinen (Fach-)Zeitungen gegenüber. Begründet ist diese Ablehnung möglicherweise durch die seit ARISTOTELES bestehende grundsätzliche Trennung zwischen dramatischer und nicht dramatischer Literatur. Das entscheidende abgrenzende Kriterium bildet die Narration: Während in der Epik durch einen Erzähler vermittelt wird, ist das Drama unvermittelt. Das Drama und der Roman, der der Epik angehört, stehen sich als Gegensätze gegenüber.