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Kindliche Zeitpraktiken im Kontext von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungszeiten

  • In der gegenwärtigen Dienstleistungs-, Wissens- und Digitalgesellschaft wird das soziale Leben durch unterschiedliche Zeittendenzen geprägt. Phänomene wie die Beschleunigung, Flexibilisierung, Entgrenzung und Virtualisierung haben Auswirkungen auf die vorherrschende Zeitkultur und beeinflussen im gleichen Maße die individuellen Lebensverläufe. Die Bevölkerungsgruppe der Kinder erlebt diese zeitlichen Veränderungen v.a. in Form einer zunehmenden Institutionalisierung der Kindheit, die sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Form zu Tage tritt. Neben der Bildungsquote steigt bspw. auch die tägliche Verweildauer in den Kinderinstitutionen an. Diese Befunde weisen darauf hin, dass elementar- und primarpädagogische Institutionen im Prozess der Zeitsozialisation eine Schlüsselposition einnehmen. Die Art und Weise, wie Zeit hier gedacht, strukturiert und gelebt wird, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Herausbildung der zeitlichen Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata. Trotz ihrer Relevanz sind zeitbezogene Fragestellungen in Kindheitsforschungen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert und werden eher strukturell-rahmend als inhaltlich-gestaltend analysiert. Die vorliegende Dissertationsschrift orientiert sich an dem soziologischen Verständnis von Zeit als Gestaltungsprinzip (Elias 1984) und der damit verbundenen Bedeutung für institutionell-pädagogische Zeitgestaltungen. Im Rahmen einer qualitativen – und ethnografisch orientierten – Fallstudie wird herausgearbeitet, wie sich die kindlichen Zeitpraktiken in unterschiedlichen Institutionen der frühen Bildung und im Übergang zur Grundschule mit ihren je besonderen institutionellen Zeitordnungen ausprägen. Die empirischen Befunde zeigen, dass die Fach- und Lehrkräfte auf normierte Ablaufmuster und Vorgaben zur Zeitnutzung zurückgreifen und sich spezifischer Disziplinierungspraktiken bedienen, um die Kinder in die vorherrschende soziale Zeitordnung und das darin verwobene generationale Arrangement einzupassen. Verstärkt durch die zeitlichen Anforderungen des institutionellen Alltags verengen sich die erwachsenen Zeitpraktiken immer wieder zu den gleichen Handlungsweisen; insbesondere die Tendenzen zur Beschleunigung und Verdichtung sind als Gestaltungsmodi beobachtbar. Ungeachtet dessen verdeutlichen die Erkenntnisse weiterhin, dass sich die kindlichen Zeitpraktiken in Formen ausprägen, die häufig nicht den sozial vorherrschenden Handlungspraktiken und -logiken folgen, sondern vielmehr auf einer eigenen Sinngebung beruhen. Im Vergleich zu den Erwachsenen kommt diese zeitliche Eigenart dadurch zum Ausdruck, dass Kinder Gegenständen andere Bedeutungen und Funktionen beimessen, andere Formen des Handlungsvollzuges praktizieren und sich auch in je besonderen Geschwindigkeitsmodi bewegen. In ihrem spezifischen zeitlichen Handeln lassen sich die Kinder bewusst nicht von den Vorgaben zur Zeitnutzung stören bzw. unterwandern diese immer wieder auch zielgerichtet. Angesichts der divergierenden Handlungspraktiken von Erwachsenen und Kindern geht der Alltag mit regelhaften Zeitkonflikten einher, die sich zulasten der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung, des Erwerbs von Zeitkompetenz wie auch der Arbeitsbedingungen des Personals auswirken können, weshalb eine weitere Intensivierung einschlägiger Zeitforschungen bedeutsam erscheint.
  • In our current service-based, knowledge-based and digital society,social life is characterised by various time trends. Phenomena such as acceleration, increasing flexibility, internationalisation and virtualisation have effects on the prevailing culture with regard to time, and influence individual lives to an equal extent. The population group of children experiences these time changes primarily in the form of an increasing institutionalisation of childhood, which comes to light in both quantitative and qualitative form. In addition to the level of education, the time spent per day at institutions for children, for example, is also increasing. These findings indicate that elementary and primary teaching organisations play a key role in the process of time socialisation. The way in which we think about time here, structure time and experience time has an important influence on the development of ways of thinking, perceiving and behaving in connection with time. Despite their relevance, questions relating to time are still underrepresented in childhood research and tend to be analysed from a structural/framing perspective instead of a content/creative perspective. This dissertation is based on the sociological understanding of time as a design principle (Elias 1984) and the associated relevance for the pedagogical design of time within institutions. Within the framework of a qualitative and ethnographically oriented case study, children’s time practices in various early educational institutions and in the transitional stage to primary school, each with their own special institutional time patterns, are explored. The empirical findings show that the specialist staff and teaching staff fall back on standardised examples of timetables and specifications for how to use time and use specific disciplinary practices to adjust children’s behaviour to the prevailing social time patterns and the generational arrangement with which is this associated. Reinforced by the time requirements set by everyday life within the institutions, adult time practices consistently become restricted to the same behavioural patterns; in particular, the tendencies of acceleration and compression can be observed as design methods. Nevertheless, the findings further clarify that children’s time practices take forms which often do not follow prevailing social behaviour patterns and logic but, rather, are based to a much greater extent on the child’s individual interpretation. In comparison with adults, this unique interpretation of time is expressed by children ascribing different meanings and functions to objects, using different methods to complete activities and also moving at speeds which are individual. In their specific time-related behaviour, children remain consciously undisturbed by specifications on how to use time and/or always undermine these specifications in a targeted manner too. Due to the different behavioural practices of adults and children, day-to-day life is associated with rule-based time conflicts which may present a disadvantage for personality development in childhood and the acquisition of time skills, as well as the working conditions for the staff. Therefore, further intensification of relevant time research appears worthwhile.

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Metadaten
Verfasserangaben:Tilmann Wahne (Dr.)ORCiDGND
URN:urn:nbn:de:gbv:luen4-opus4-10167
URL: https://pub-data.leuphana.de/frontdoor/index/index/docId/1016
Untertitel (Deutsch):Eine qualitative Fallstudie in Institutionen des Elementar- und Primarbereichs
Untertitel (Englisch):A qualitative case study in elementary and primary institutions
übersetzter Titel (Englisch):Children's time practices in the context of education, schooling and childcare periods
Betreuer:Maria-Eleonora Karsten (Prof. Dr.)
Gutachter:Kim-Patrick Sabla-Dimitrov (Prof. Dr.)GND, Waldemar Stange (Prof. Dr.)GND
Dokumentart:Dissertation
Sprache:Deutsch
Erscheinungsjahr:2020
Datum der Veröffentlichung (online):12.05.2020
Datum der Erstveröffentlichung:12.05.2020
Veröffentlichende Institution:Leuphana Universität Lüneburg, Universitätsbibliothek der Leuphana Universität Lüneburg
Titel verleihende Institution:Leuphana Universität Lüneburg
Datum der Abschlussprüfung:17.04.2020
Datum der Freischaltung:13.05.2020
Fakultät / Forschungszentrum:Fakultät Bildung / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (IFSP)
Lizenz (Deutsch):License LogoDeutsches Urheberrecht